“How to not make ends meet, or: how to make ends that met un-meet and piss away all your money” by Pippen Wigglesworth-Weider, Berlin

Money August 7, 2011 19:08
topic: MONEY medium: TEXT, VIDEO
as shared at a PenTales event themed “Making Ends Meet”
Wie üblich, dachte ich als Kind, alles Geld sei Spielgeld. Das wäre keine Problem gewesen, hätten meine Eltern mir nicht so viel davon gegeben. Ich habe es nämlich verschenkt, so wie man Postkarten oder wie man eine Zeichnung verschenkt. Da ich nichts damit anfangen konnte, gab ich es einfach weg. Dafür wurde ich von meinen Freunden sehr geschätzt. Das ging so weiter bis einmal eine Mutter zu mir kam, und mir die fünfhundert Franken, die ich ihrem Sohn gegeben hatte wütend in die Hand drückte und davon stürmte. Nach dieser undankbaren Erfahrung verschenkte ich nie wieder Geld. Ausser im Gymnasium, da warfen wir es nämlich aus dem Fenster. Unsere Schule war eine private, neben ihr stand eine öffentliche und ihre Schüler waren meist in bunten Tüchern oder Teppichen gekleidet, waren unrasiert, auch die Frauen, und gingen immer wieder auf den Hof, um gegen dies oder gegen das zu demonstrieren. Ihr Geschrei störte immer wieder den Unterricht, so, dass unsere Lehrer, die den Demonstranten von nebenan nicht unähnlich sahen, nichts dagegen hatten, wenn wir sie vertrieben. Dazu benützen wir, aus Mangel an anderen Gegenständen, die Fünffranken-Münze. Das ist die Grösste des Sortiments und tut am meisten weh, wenn man sie aus dem sechsten Stock auf den Kopf bekommt. Die Münzenwürfe zettelten aber nur weitere Demonstrationen an, also liessen wir es bald bleiben.

 

Später, an der Universität, studierte ich Wirtschaftswissenschaften und erkannte zum ersten mal den wahren Sinn von Geld. Fortan investierte ich riesige Beträge in schnelllebige Güter wie Champagner und schaffte es enorme Renditen in sozialen Rohstoffen, wie zum Beispiel Respekt oder gute Beziehungen, zu erzielen. Überhaupt schien Geld das zu sein, womit man am meisten aus sich machen kann, was, wenn man viel sein wollte, aber auch nicht ganz billig war. Ich hatte zuerst die Grenze meines Taschengeldes ausgereizt. Dann hatte ich meine Konten ausgereizt. Dann hatte ich die Sparkonten, die ich erst mit 20 oder 30 bekommen sollte, ausgereizt. Dann hatte ich die Kasse in der Firma meiner Mutter ausgereizt. Das hielt sehr lange. Dann hatte ich die Kreditkarten von Mutter und Vater ausgereizt. Das hielt auch sehr lange. Dann den Tresor. Und zuletzt noch die Kreditkarten von anderen Leuten. Bis dahin hatte ich gut drei Millionen Franken ausgegeben, ich war vier Mal im Untersuchungshaft, hatte die Firma meiner Eltern in den Bankrot und sie in die private Pleite gestürzt, meine eigene und eine fremde Familie zerrüttet, und konnte nichts erfreuliches dafür vorweisen ausser ein paar wunderschöne aber zerrissene Anzüge, ein dramatisches Suchtverhalten und eine Anleitung, wie man dorthin kommt, wohin ich kam:

 

Es ist eigentlich ganz einfach: Man beginnt damit, dass man in eine möglichst überteuerte Schule geht. Dann breche man den Kontakt zu allen ab, deren Familien ein Vermögen von unter einer Milliarden Franken oder Euro oder Dollar haben. Die gute, teure Schule, auf die einen die Eltern geschickt haben, ist zum Glück ideal um mit den Sprösslingen solcher Familien best friends zu werden. Wenn man bei ihnen zuhause eingeladen ist, kommt man am besten im besten Anzug. Besser noch, man lässt sich extra einen schneidern, nichts unter zehntausend Franken, nur der beste Stoff. Wenn man das Geld dafür zuhause nicht erbetteln kann, dann soll man es sich einfach nehmen. Man kann sich später über die Folgen Gedanken machen. Irgendwie wird man die riesigen Schulden in die man sich stürzt und die Diebstähle die man begeht schon zurückbezahlen können, wenn man dann der Liebling der Reichen und der Einflussreichen ist. Und wenn man keine teure Uhr hat, dann trägt man lieber gar keine, und begründet dies mit der Schnelllebigkeit dieser Zeit, die man leid ist.

 

Durch seinen guten Auftritt und seine guten Manieren und interessanten Geschichten wird man schnell mit Privatjets in die Freien im Süden Frankreichs eingeflogen. Wenn nicht, dann geht man einfach selbst dorthin, bucht im teuersten Hotel das kleinste Zimmer und läuft all den tollen Leuten zufällig über den Weg. Dann muss man sie zum Essen einladen, nichts weniger als drei Sterne von Michelin und den zweiteuersten Wein, weil man nicht protzen will. Das ist ein kleiner Preis, für die Einladungen auf hundert Meter lange Jachten und Privatinseln, die dann folgen werden. Und weil man im Namen des Vaters über dessen Kreditkarte unzählige Traveller’s Checks bestellt und in seinem Namen den Sohn, also sich selbst, geschickt hat um sie einzulösen, hat man immer das nötige Bargeld dabei, das man, weil es so zahlreich ist, und man ja nicht protzen will, in verschiedene teure Portemonnaies und golden Geldklammern verteilen muss, die man sich, dafür und davon, gekauft hat.

 

Wenn die Geldklammer das viele Geld trotzdem nicht fassen will und sich auseinander biegt, muss man sie auf den Boden legen und mit voller Wucht auf sie eintreten. Das macht man am besten ganz unbemerkt aber mit so viel Krach, dass es alle merken, was einem dann am besten ein bisschen peinlich ist. Wen man nach seinem familiären Hintergrund gefragt wird, spricht man von diversen Groups und Holdings, die in unbekannten Bereichen tätig sind. Immerhin, man weiss ja wirklich nicht so genau was die Eltern jede Sekunde des Tages so machen und wie sie jeden Franken ganz genau verdient haben. Am besten, die Firma hat etwas mit Technologie zu tun, das versteht nämlich keiner, stink aber trotzdem nach Geld. Man darf aber nie lügen, sonst verkauft man sich unter seiner Würde. Wenn einem mal eine Erbschaft in Aussicht gestellt wurde, das Haus des Onkels zum Beispiel, dann soll man nicht anderes sagen. Man kann aber mit den Eigenschaften des Hauses spielen.  Immerhin, man kennt das Haus des Onkels ja gar nicht so genau. Man könnte beispielsweise annehmen, dass es um die hundert Zimmer hat, und ein tausend Jahre altes Schloss auf einer Insel ist, die einmal einem Schottenkönig gehörte, mit dem man übrigens verwandt ist, was man eigentlich nicht sagen dürfe, da sich der Vater für die hochadelige Herkunft ein bisschen schämt. Oder wenn man hundert Franken auf dem Konto hat, könnte man sagen, man hat hundert Millionen, das ist nie ganz gelogen, irgendwie ist es sogar fast genau das gleiche.

 

Man muss nur aufpassen, dass man mit all dem Champagner denn man jetzt die ganze Zeit trinken muss, seine Erzählungen im Griff behält und nicht mal von einem Villa und dann von einer Festung spricht. Mal von einem Rolls Royce, dann von vier Helikoptern. Mal von einer kleinen Propellermaschine, nur so um von Insel zu Insel zu hüpfen, wissen sie? Dann von einem Jumbojet, sonst kommt man ja nicht mal bis Amerika, wissen sie? Gegen den Champagner hilft am besten ganz viel Kokain. Es macht weise und lässt einen die Fassung wahren. Dem Dealer tischt man am besten genau die gleichen Geschichten auf wie allen anderen, weil er ja auch unsere reichen Freunde beliefert. Bei ihm könnte man kann sogar masslos übertreiben, weil dem Dealer sowieso niemand ganz glaubt, aber trotzdem ein bisschen. So kann man tolle Gerüchte in Umlauf bringen.

 

Wenn nicht gerade Ferien sind, fährt man am besten immer mit einem Taxifahrer der mit seiner S-Klasse aber auch Chauffeur-Fahrten ohne Taxischild macht zur Schule oder zur Universität oder wohin auch immer. Es ist dann nicht gelogen wenn man sagt, man hatte einen Chauffeur. Man kann ihm auch einen Namen geben. Jimmy zum Beispiel. Man kann auch sagen, er hätte immer eine Knarre im Kofferraum. Damit kommt man bei den Oligarchen-Kindern sehr gut an. Golf ist auch wichtig. Man soll so viel Zeit wie Möglich auf dem Golfplatz verbringen, damit einen die reichen Eltern seiner reichen freunde auch mal woanders als in Monaco oder Cap Ferrat sehen und damit sie begreifen, das man auch zu Geschäftszeiten reich und stilvoll ist.

 

Und wenn man Hunger hat, muss man aufpassen, dass man sich nichts zuhause macht, sondern ins beste Restaurant geht. Auch alleine. Mit einem Buch. Das wirkt mysteriös. Inzwischen ist die Presse auf einen aufmerksam geworden, weil man aus Versehen ein besseres Bild abgegeben hat als jeder andere Reiche im Land. Den Journalisten muss man natürlich wieder vorsichtig die selben Geschichten auftischen, die man über die Jahre schon allen anderen aufgetischt hat. Einige gute Portraits – und schon schmückt man die wichtigen Titelblätter. Und dann ist man Ze-men-tiert. Man zweifelt nicht einmal selbst daran, wie vermögend man sich und wie wertvoll man den anderen ist. Man ist unglaublich von sich beeindruckt. Seine Geschichten oft in der Presse zu lesen ist auch ein gutes Mittel gegen die fürchterliche Übelkeit die einen in gewissen nüchternen Morgenstunden überfällt, wenn man sich daran erinnert, wie viel Geld man tatsächlich ausgegeben hat und man sich frag was man bloss sagen soll wenn die Rechnungen dafür zuhause ankommen. Oder was man der Polizei sagen soll, die alle Familienmitglieder routinemässig befragen muss, weil in der Firma Hundertausende von Franken gestohlen wurden. In dieser Übelkeit, stauen sich die Vorboten eines Ereignisses das leider nicht zu vermeiden ist: Das Kartenhaus, das zusammenbrechen wird. Der Wolkenkratzer, der in sich zusammen stürzen und alles in seinem Weg verpulvern wird, auch die hinterletzte Würde. Wenn es schon unvermeidlich ist, kann man sich solange es geht, also genau so gut auch weiter amüsieren. Ich trank also weiter, und als ich meinen Zenit überlebte und die Bühne räumen musste, trank ich weiter. Als ausgedienter Held trank ich weiter. Als Vorbild einer Generation von dummen Sprösslingen, die die Kunst des Geldausgebens von mir, vom unteren Mittelstand und nicht von ihren geizigen Geld-beschämten Eltern gelernt haben. Und als es nicht für Champagner reichte, reichte es für Wodka. Und als es nicht für Wodka reichte, reichte es für Bier. Und als es nicht für Bier reichte, reichte es gerade noch, um es aufzuschreiben.

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